Segeln im August 2022 - SY Tongji
Ab Dover segelte ich zunächst recht ruhig mit 4-5 kn weiter. Dies sollte eigentlich lange so bleiben, nur hatte sich der aktuelle Wetterbericht für die Nordsee mal wieder tüchtig verändert. Gestern Abend war noch alles passend zum entspannten Segeln und jetzt ist von Windstille bis Gegenwind mit 20 kn plötzlich alles dabei. Wetterwürfeln ist wahrscheinlich genauso in der Vorhersage.
Gesegelt bin ich wieder mal mehr nördlich und später erst in Richtung Niederlande. Dort nochmals Wetter geholt und es war dann doch etwas mehr Wind, aber wenigstens kein Gegenwind mehr. Inzwischen merkte ich es auch, denn trotz gereffter Segel waren es gut 7-8 kn Fahrt durchs Wasser. Mit der Strömung segelte ich auch schon mal mit knapp 10 kn. Leider regnete es auch immer mal wieder. Dies war ich aus dem sonst dafür bekannten England nicht gewohnt.
Eine Weile segelte ich noch entlang der Wattinseln, denn ich wollte das Wetter abwarten. Nördlich wehte es laut Vorhersage mit 25 bis teils 30 kn und zog nordwärts ab. Am nächsten Tag sagte der Wetterbericht aber schon wieder etwas Anderes. Jetzt reichte es. Neuer Kurs Norwegen bzw. Skagerrak. Den Wetterbericht kann man komplett vergessen. Oft genug habe ich jetzt am Abend geschaut und super Wetter gesehen. Dann am nächsten Morgen nochmals frisch die Vorhersage abgeholt und einen komplett anderen Wetterbericht bekommen. Wie kann dies sein, innerhalb weniger Stunden eine völlig andere Vorhersage für den kommenden bzw. aktuellen Tag. Wettervorhersagen für den vierten und x-ten Tag glaube ich eh nie, aber für die nächsten 12 Stunden? Beim Segeln am Tag erlebe ich dann oft noch eine weitere Wettervariante. Völlig egal, eine Weile habe ich jetzt keinen Empfang (Iridium-Satelliten-Telefon wird dies Jahr nicht mehr angemeldet) und brauch mich nicht mehr über die Vorhersage wundern. Bei erfreulichen westlichen und später kräftigen südwestlichen Winden segelte ich weiter sehr zügig nach Norden.
Auch hier stehen genügend Windmühlen im Weg. Eigentlich ist genug Wind, aber die Betreiber schalten diese Windmühlen auch noch ein. In Flautezeiten könnt ihr die Windmixer einschalten! Aber dies ist ja das große Problem der Energiewende: Woher den Strom in Flautezeiten nehmen?
Ich liebäugelte schon mit dem Limfjord, aber ließ es. Ich war so zügig und dachte an eine Angelpause und eine Mütze Schlaf in einem Fjord in Südnorwegen. Nur machte ich die Rechnung ohne den Wetterbericht. In Empfangsreichweite zu Norwegen holte ich doch wieder Wetterdaten ab und diese sagten in 24 Stunden Starkwind aus Nordwest ins Skagerrak hinein für fast eine Woche. Sollte dies stimmen, hätte ich in Südnorwegen festgesessen und wäre zu spät zur HanseSail gekommen. Also erneut Kurswechsel direkt nach Skagen. Dahinter geht es nach Süden und an der Küste von Dänemark kann mich der starke Wind mal gern haben, denn ab Skagen ist es dann alles ablandiger Wind. Bis Skagen kam ich auch noch vor dem kräftigen Wind, ankerte einfach vor der Küste und schlief mal wieder ordentlich. Wach wurde ich dann doch durch den Wind, welcher im Rigg für ordentlich Geräusche sorgte. Welch Wunder, da stimmte mal der Wetterbericht. Anker auf und weiter ging es nach Süden durch das Kattegat und den Großen Belt. Der Wind aus Nordwest blies kräftig und schob mich schleunigst nach Süden. Je südlicher, umso mehr lies der Wind nach. Höhe Fehmarn hatte ich schon wieder volle Segelfläche und nur ungewohnte 5 kn. Bis Rostock reichte es trotzdem. Genauer gesagt bis Warnemünde reichte es. Dort kam ich in der Nacht an und direkt in der Einfahrt zum Seekanal war dann auch der letzte Windhauch weg. Der Diesel durfte mich bis in die Warnow zum Ankerplatz bringen. Glücklicherweise waren dies nur noch 2,5 Seemeilen.
Bilanz: Vom Ankerplatz bei der Isle of Wight bis Höhe Falmouth, dann über Frankreich und Dover nach fast Norwegen und weiter bis Skagen: 981 Seemeilen. Ein kurzer Ankerstopp und weitere 235 sm bis Rostock in 233 Stunden inkl. einmal vor Anker ausschlafen. Kürzer wäre der Nord-Ostsee-Kanal, nur ich war zum Segeln hier und habe es dennoch pünktlich zur HanseSail geschafft.
Weiter ging es im August mit dem Ausschau halten nach alten Großseglern. Marina kam öfter nach Rostock, wenn auch nur kurz. Ansonsten gab es den ein oder anderen kleinen Ostseeausflug und meiner Erkenntnis, dass ich einfach unfähig bin, an der deutschen Ostseeküste einen Fisch zu fangen.
Noch mal zu meinen im Vormonat bereits angedeuteten diesjährigen Defekten, welche mich in dieser Anzahl richtig nervten.
- Schon in Cuxhaven war plötzlich die PC-Festplatte defekt. Zum Glück noch an Land und so habe ich noch fix eine neue SSD-Platte geholt. Ansonsten wären nur HDD-Platten zur Sicherung vorhanden und ich hätte davon eine einbauen müssen.
- LED-Dreifarben-Ankerlaterne oben auf dem Mast defekt. Das Teil der Firma Lopolight kostet inzwischen neu knapp einen halben Tausender und es wird von 50000 Leuchtstunden gesprochen. So viele Nachtfahrten bekomme ich mein Leben lang nicht zusammen. Nur jetzt geht weder der rote noch der grüne Sektor, lediglich der hintere weiße Sektor leuchtet. Ebenfalls beim Ankerlicht nur der hintere weiße Sektor. Ich habe zwar eine Zweifarben-LED im Bugkorb, aber diese leuchtet die See vor mir an und behindert so meine eigene Sicht.
- Auch die Heck-LED der Firma Lopolight ist unterwegs ausgefallen. Zunächst blinkte sie im Sekundentakt und nach ein paar Stunden war sie ganz aus. (Es ist die LED, denn Abbauen und Direktanschluss an der Batterie brachte auch hier nichts. Immerhin bleibt die Zweifarben-LED im Bugkorb und der weiße hintere Sektor der Dreifarben-LED auf dem Mast.)
- Frischwasserpumpe leckt und kein Druckausgleich (Behältermembran und Dichtungen neu eingelegt)
- Plotter C90W am Innensteuerstand war plötzlich dunkel. Neu einschalten brachte zunächst einen übergroßen hellen Startbildschirm und dann wieder alles dunkel. Rücksetzen half nicht. Komplett zerlegt und scheinbar war eine Steckleiste auf der Platine lose. Nachdem funktionierte der Plotter wieder und ich sah wieder meine Position und andere Schiffe dank AIS-Signal auf der Seekarte.
- Schublade gebrochen, welche sich bei Wellengang selbstständig machte (eigener Fehler, denn ich hatte vergessen sie zu verriegeln)
- Toilette lief ständig voll Frischwasser. (alles zerlegt und Gummi erneuert)
- Salzwasser im Boot! Eine Schraube vom Deckel des Impellergehäuses war abgerissen. Es sieht für mich nach Entzinkung der Messingschraube durch Salzwasser aus und übrig bleibt poröses Kupfer. Aber kann eine Seewasserpumpe auf einem Salzwasserschiff tatsächlich Messingschrauben haben?
- Baumniederholer poltert (eine Scheibe war zerbröselt)
- UV-Schutz der Genua löst sich
- Windanzeige zeigt keine Windgeschwindigkeit mehr. Zum Glück aber noch die Richtung, denn sonst wäre die automatische Windsteuerung nicht mehr möglich gewesen.
- Eine Nachtfahrt, ein Regentag mit wenig Solarladung und in der kommenden Nacht bricht plötzlich die Batteriespannung zusammen. 700 Ah AGM-Batteriebank zeigt bei -210 Ah nur noch 11,1 Volt. Im fünften Jahr darf ich diese Batterien bereits auswechseln? Im vorherigen Boot hielt die AGM-Batteriebank 10 Jahre und hatte beim Verkauf keine Schwächen. Für die weitere Fahrt bedeutet dies auf stets volle Batterien zu achten und des Nachts schonend zu belasten.
- Salonfenster an mehreren Stellen undicht, werde sie wenn mal kein Geschaukel ist neu eindichten
Ein Erlebnis während der HanseSail: Kommt doch ein kleines Führerscheinfreies Mietboot zu meinem Ankerplatz und sagt er ist der König, hat der Stadt Rostock die HanseSail erlaubt aber dass ich hier ankere benötige seine Genehmigung und ginge so nicht. Was für ein König? War auch egal auf diese Art zu diskutieren. Glaubte schon die Wasserschutzpolizei rufen zu müssen, aber der König hatte ein Einsehen und genehmigte im Nachhinein mein ankern. Nun ja, HanseSail ansehen und ansonsten zählt die Warnow auch nicht zu meinen geliebten einsamen Ankerplätzen. Eine Weile blieb ich dann doch, denn nach Rostock konnte Marina so schön schnell kommen.
weiter im September: Segeln im September 2022