Segeln im Juli 2022 - SY Tongji
Marina war inzwischen wieder daheim. Ich brach eineinhalb Stunden nach Hochwasser in Cuxhaven auf, denn das Oberflächenwasser läuft hier lange nach. Bei Nordwind mit 10 kn war zunächst der Motor nötig. Etwas später kreuzte ich neben dem Fahrwasser der Dicken und als es westwärts ging war es sehr angenehmes Segeln.
Erstaunlich wenig Fischer waren unterwegs. Dies habe ich hier schon ganz anders erlebt. Aber viele dicke Pötte lagen vor Anker, welche wohl auf einen Abfertigungstermin im Hafen warteten.
Schon bald waren diese Ankerplätze auch passiert und es wurde etwas mehr Platz. Was war dies für ein Gefühl. Endlich wieder das Meer, das Boot und die Segel. Einfach schönes Segeln, fühlte mich richtig wohl und hatte fast Tränen in den Augen. Schlaf brauchte ich mit diesem Hochgefühl keinen und nach rund 140 sm und inzwischen Gegenwind aus südwestlicher Richtung dachte ich kurz zwischen Terschelling und Vlieland ins Watt zu segeln. An Harlingen im Jahr 2017 habe ich gute Erinnerungen, aber sollte ich dort allein ohne Marina auf und ab laufen? Ich wollte segeln und so ging es noch knapp 30 sm weiter gegen den Wind. Südlich von Texel kam ich natürlich zur falschen Tidenzeit an und der Texelstrom ist nicht gerade schwach. Im Hauptstrom um die 4 kn Strömung. Gleich nach England weiter oder doch eine Ankerpause? Bei moderatem SW-Wind nach NO in den Texelstrom gegen die Strömung, dies sollte irgendwie schon gehen und ich versuchte es. Ganz auf der Nordseite des Texelstroms, dicht unter Land, wo sicher weniger Strömung ist, segelte ich gegen die Strömung und es klappte. Nicht gerade schnell, aber ich kam dicht unter Land doch mit recht wenig Gegenströmung ganz gut klar. Mit dem Motor hätte ich dies sicher nicht gemacht und bei viel Wind sollte man es gegen die Strömung sicher auch lassen, denn dann steht hier mit Sicherheit eine sehr ruppige Welle. Halb Texel wieder rauf gesegelt fiel letztlich mein Anker einfach östlich von Texel nach 183 sm. Zur Waddenzee alles offen, aber dies war auch egal, denn sollte Nord- oder Ostwind kommen, würde ich sowieso weitersegeln.
Letztlich hielt ich es zwei Tage aus, doch es blieb bei nichts als SW-Wind. Ab Dover versprach der Wetterbericht in knapp zwei Tagen Nordwind. Anker hoch und diesmal zur rechten Zeit mit dem Texelstrom raus aber leider gegen den Wind. Bei leichtem Wind bin ich bis zu 9 kn mit der Strömung hinaus gesegelt. Frühzeitig Kurs rüber Richtung England und immer schön gegen den SW-Wind. Ankerplätze der dicken Pötte, Verkehrstrennungsgebiete, Windparks über Windparks, ... weite Schläge zu kreuzen geht kaum. Man weiß kaum noch wohin und freie See ist was Anderes. Aber an der niederländischen, belgischen und französischen Küste weiter wäre dies noch schlimmer, zumal dort noch Rotterdam ist, viele flache Stellen lauern und deutlich mehr Verkehrstrennungsgebiete sind. In Handyreichweite von England bzw. wohl eher eines Windparks holte ich einen neuen Wetterbericht (Iridium-Satelliten-Telefon noch nicht angemeldet). Dieser versprach mir bei Dover leichten NW-Wind bzw. bald Nordwind. Na dies passte mal, denn bei Dover kreuzen muss aufgrund des Verkehrs und weil es enger wird nicht unbedingt sein. Ab Texel bin ich nun langsam auch genug gegen den Wind gekreuzt. Dies mit recht komischen Wendewinkeln. Diese entstehen durch die mitlaufende Strömung bzw. Gegenströmung. Aktuell gerade gegen 1,5 kn Strömung, aber dies wird nachher im Ärmelkanal noch weit mehr Strömung. Kurz vor Dover dann Windstille und Restwelle. Das ist richtig nervend, dann besser weiter Gegenwind. Gegen Morgen endlich etwas Wind und dies auch noch wie vorhergesagt aus passender Richtung. Mit wenig Wind ging es in die Straße von Dover. Doch genau auf Höhe der Fährverbindung war der Wind weg und ich trieb nur noch mit der Strömung. Ich freundete mich gedanklich schon mit dem Dieseltuckern an, denn wenn jetzt noch eine Fähre angerauscht kommt, muss ich hier wohl mit dem Motor weg. Dank aktuell 1,8 kn mit der Strömung ging es gerade noch mal gut und irgendwann hatte auch der Wind ein Einsehen mit mir. Knapp 20 sm weiter an der Küste vor Kap Dungeness ließ ich den Anker fallen und schlief mich mal wieder aus. Ich wäre hier am Kap in die Gegenströmung geraten und hatte auch nicht genug Wind. (Texel-Dungeness: 236 sm)
Ab Dungenes war dann doch nichts mit Nordwind. Es war im besten Falle NW-Wind und so blieb wieder nur das Segeln fast gegen den Wind. An der Isle of Wight wollte ich dies Jahr mal vorbeisegeln. Ich war auch schon etwas südlich der Insel und bin doch umgekehrt und zum Ankerplatz in der Osborne Bay. Nach nur 113 sm schon wieder ankern!? Wenigstens bin ich mit der knappen Motorstunde in Cuxhaven und sonst nur unter Segeln hierher gekommen. Nur warum komme ich an dieser Insel nicht vorbei? Es scheint mein Lieblings-Ankerplatz zu sein, aber ist - wenn man sich es recht überlegt - nicht der Beste:
- Der Wind dreht oft mal um die Insel und kommt dann von Southampton, wo die Welle rund 5 sm Anlauf hat
- Es steht schon mal ruppige Welle gegen erhebliche Strömung im Solent
- Schwell kommt auch bei SW-Wind (ablandig in der Osborne Bay) um Cowes
- Ständig fahren dicke Pötte mit 10 bis 15 kn durch den Solent
- Tagsüber oft und an Wochenenden ständig überfüllt durch heimische Motorboote und Segler, welche oft mit Wassertiefe plus Tidenhöhe gleich Ankerkettenlänge für ihre Tea-Time ankern. Sobald die Strömung kippt, wundern sie sich dann, warum ich (mit meiner Kettenlänge) näher komme. Sie ständen genau richtig!? Verstehen kann ich sie aufgrund des teils vorhandenen Krautes, welches sich in der Ankerkette verfängt und eine erhebliche Arbeit beim Aufholen des Ankers bedeutet und sie meist nur kurz ankern.
- Man darf nicht an den Strand. Das Osborne House ist abgesperrtes Gelände mit Eintrittsgeld.
- Ständig Strömung im Solent. Wind schiebt Boot über die eigene Ankerkette, denn das Boot richtet sich mit der Strömung und dann kratzt die Ankerkette am Unterwasserschiff. Also darf man sich was einfallen lassen. Leine in Ankerkette, welche weniger am Unterwasserschiff kratzt bzw. richtig großes Reitgewicht.
- Baden geht, aber die Strömung ist zu beachten. Schnelle Strömungswechsel und Strömung bis zu 2,5 kn. Also lange Schwimmleine mit Fender hinterm Boot zur Sicherheut beim Baden.
- Kraut schwimmt im Wasser
- Engländer brausen nicht selten mit Volldampf durchs Ankerfeld. Auch mit Wasserski durchs Ankerfeld habe ich erlebt. Gesehen werden die Engländer wohl auch gerne: Dieses Jahr erlebte ich einen Anzugträger an der Pinne und kreuzt segelnd durch das Ankerfeld. Sind halt Engländer und scheint hier halt so sein zu müssen. Ich bin zu Gast und werde mit Leben und kann teils nur staunen.
- Tide bis zu 4 Meter
- Häfen nicht die preiswertesten, wenig freie Plätze bzw. nur nach Anmeldung und in Cowes recht eng. Wir sind vom Ankerplatz mit der Strömung schon nach Cowes gepaddelt und mit der Gegenströmung zurück.
Natürlich ist es auch schön, täglich die auslaufenden Kreuzfahrtschiffe zu sehen und auch die Queen Mary 2 ist auf der Route der Titanic von Southampton nach New York zu sehen. Die Isle of Wight und Cowes sind legendär im Segelsport und so etwas wie das Segel-Mekka. Vor Jahren waren hier stets viele Segler aus ganz Europa. Schon 2020 fiel mir auf, dass kaum noch ausländische Boote hier sind und auch dies Jahr habe ich trotz langen Ankerns kaum ein ausländisches Boot gesehen. Der Brexit (Einreiseregeln) und ggf. Corona in 2020 werden wohl dazu beitragen, dass die Engländer jetzt eher unter sich sind.
Geankert habe ich gefühlte Ewigkeiten. Wusste auch gar nicht recht wohin? Erneut über die Biskaya? Da bin ich nun auch schon fünf Mal rüber gesegelt. Und was soll ich an Spaniens und Portugals Küste, wo zur Zeit die Orcas Segelboote angreifen. Die Ruder von Segelbooten werden an der Küste gezielt angegriffen und beschädigt oder kpl. zerstört und zurück bleiben manövrierunfähige Boote, welchen letztlich nur der Notruf bleibt, um in den nächsten Hafen geschleppt zu werden. Erzählt wird von hunderten zerstörter Ruder. Da es sich nur um eine Gruppe von Orcas handelt und in dieser Gruppe auch nur wenige Tiere bei Angriffen beobachtet wurden, warten die Behörden in Ruhe ab. Sie haben teils schon Befahrverbote ausgesprochen und geben Verhaltenstipps wie: Boot zum Stillstand bringen und abwarten, was übrig bleibt. Wahrscheinlich dürfen andere Tiere der Gruppe erst noch lernen und das Problem muss größer werden.
Zu meinem Verdruss ging dieses Jahr auch noch reichlich viel kaputt. Teilweise entscheidende Dinge gleich nachdem der Mast stand und die Defekte wurden ab erstem Segeltag stetig mehr. Aber zu meiner Reparaturliste komme ich später mal.
Auf jeden Fall wartete und reparierte ich zu lange vor Anker, denn es war eigentlich guter passender Wind. Nur als ich endlich aufbrach, war mal wieder Westwind. Zunächst segelte ich weiter an Englands Südküste. Übte mich weiter beim Kreuzen gegen und mit der Tidenströmung, welche an manch einem Kap schon mal um die 5 bis 6 kn erreicht.
Als Idee hatte ich vielleicht um das Vereinigte Königreich zu segeln, nur eigentlich hatte ich dies auch schon 2014 gemacht mit dem Abstecher nach Island. Noch mal die Irische See bis Stornoway hoch wollte ich nicht, wenn dann auch um Irland. Als ich Höhe Falmouth war, sah jedoch das Wetter westlich Irland für einen längeren Zeitraum so ganz und gar nicht gut aus. Nein, ich drehte einfach um, segelte zunächst etwas zurück und dann nach Cherbourg (Frankreich) rüber. Es war schon fast Ende Juli und gerade war die höchste Tide im Monat mit einem Tidenhub von 8 Metern und Strömungen bis zu 9 Knoten. Das sind mal Naturgewalten. Da bleibt nur genau zu rechnen, wo man wann ist und wie man dort bei welchem Wind durchkommt. Bisher ging ich solch Strömungen stets aus dem Weg, was meist auch besser ist bzw. wartete ab. So erinnere ich mich gut, wie ich von Island kommend vor den Faröern wartete, um nach Tórshavn zu kommen. Zwischen den Faröern strömt es mit bis zu 12 kn trotz eines sehr geringen Tidenhubes. Hier hatte ich jedoch Zeit, wollte es erleben und bin auch deshalb rübergesegelt. Ständig lernt man dazu und mich begeistern diese Naturkräfte - oder sollte ich Mondkräfte schreiben? Mit dem passendem Wind segelte ich zügig wieder zurück nach England, kam im größeren Abstand diesmal an der Isle of Wight vorbei und weiter bis Dover.
Ich hatte inzwischen ein neues Ziel und dies war die Hanse Sail vom 11. bis 14.8.2022 in Rostock. Irgendwie hatte mir dies Marina eingeredet und sie kommt dann mal zwei Tage. Damit hat sie auch völlig recht, denn in Rostock ist sie schnell mit der Bahn und ich sehe mir alte Großsegler sehr gerne an. Nur ihr Vorschlag per Motor durch den Nord-Ostsee-Kanal war so gar nicht der richtige Weg.
weiter im August: Segeln im August 2022