Segeln nach Cetraro (Italien)
Zunächst ging es mit leichtem Herzklopfen bei etwas Dünung über die nur 1,40m flache Stelle zwischen den Hafenmolen von Amantea hinaus aufs Tyrrhenische Meer.
Bald nach der Hafenausfahrt spürten wir sehr kräftigen aber ablandigen Wind. Da der Wetterbericht von 5-10 kn ablandigem Wind sprach war natürlich noch die Genua statt der Fock auf der Rollanlage. Nach und nach nahm der Wind jedoch weiter zu. Das Großsegel war längst im Baum weggerollt und inzwischen reichte die halbe Genua. Die Winde sausten immer wieder von den Bergen und wir hatten mit halber Genua meist 7,5 kn auf dem GPS.
Plötzlich raumer Wind von Land, wenig später raumer Wind von See und letztlich war der Wind gänzlich weg. Wir sahen bei wenig Landwind zu das wir weiter hinaus auf See kamen, doch Fehlanzeige denn dort kam uns der Wind plötzlich entgegen. Dies nicht gerade wenig und so ging es hoch am Wind wieder zurück in Richtung Land. Die Wellen kamen inzwischen von Land und von See. Weiter an Land sausten plötzlich wieder heftigste Böen die Berge hinab. Was war das bloß? Kein Wind, achterlicher Wind, Gegenwind, Windstille und heftige Böen von Land. Alle Windrichtungen und Windstärken waren dabei. Weiter raus auf See probierten wir noch einmal und bekamen abermals Gegenwind. Zu weit an Land aber sind Felsen in der See welche nicht in der Karte eingetragen sind? (mehrfach gesehen). Letztlich half es alles nichts es war ständige Segelarbeit. Eben noch 7 kn mit 1/3 Genua gesegelt, dann wieder wenig Wind. Mehr Segel gesetzt und die See genau beobachtet, ob auch nicht wieder Böen kommen. Dann kaum Wind und wir waren kurz vor dem Dieseleinsatz. Wenig später sahen wir abermals die kleinen ruppigen Wellen von Land kommen. Das Spiel mit dem Wind aus allen möglichen Richtungen wiederholte sich immer und immer wieder.
Wir segeln mal wieder mit achterlichem Seewind, gleichzeitig sehen wir die Wolken die Berge an Land herabstürzen und die entsprechende ruppige See auf uns zukommen. So viel Segelarbeit hatten wir glaube ich noch nie.
Einmal sahen wir gar ruppige Wellen von Land, spürten den kräftigen Wind von Land, das Segel stand jedoch grausam und krümmte sich. Der Windanzeiger oben am Mast zeigte Seewind bei gleichzeitigem kräftigem Landwind an Bord!? Entsprechend das Segel. Zum Glück nur ein kurzer Moment.
Je weiter wir aber kamen, setzte sich der Landwind durch. Genauer gesagt die heftigen Böen wurden zum Dauerzustand. Recht eng unter Land sind wir mit 1/3 Genua zwischen 6 und 7 kn gesegelt. Die Barometerkurve hatte schon bald keine Sinusform mehr, sondern machte gewaltige Sprünge und hatte Spitzen und Ecken.
Zum Glück kam der heftige Wind von Land, aber auch dies baute je nach Entfernung zum Ufer eine 0,5 bis 1m steile Welle auf. Natürlich wieder eine recht salzhaltige Angelegenheit.
Nur gut das wir der Versuchung am Vortag widerstanden haben und nicht nach Stromboli gesegelt sind. Dort wäre jetzt wohl die Hölle los (lt. neuerem Wetterbericht 10 kn an der Küste, weiter draußen 30 kn und dann keinen Hafen oder geeigneten Ankerplatz). Die 30 kn reichen nicht mal bei uns an der Küste. Das dürfte einiges mehr sein. Nicht umsonst heißt die Gegend wohl das Bermuda-Dreieck des Mittelmeeres. Uns reicht es ganz am Rand dieses Gebietes. Passend zum Wind auch die Sonne. Den gesamten Tag ist es schon bedeckt, kaum läßt sich die Sonne sehen, fängt es auch schon an zu plattern.
Vor der Hafeneinfahrt von Cetraro hatten wir direkt ein wenig Bedenken. Unser Erlebnis mit den 1,40 m Wassertiefe in der letzten Hafeneinfahrt war ja noch ganz frisch und über Cetraro steht im Buch ‘in jüngster Vergangenheit fast vollständig versandet’. Bei dem Wind wollten wir aber auch nicht wirklich weiter. Unsere Hoffnung das in Hafennähe bei ablandigem Wind weniger Wind steht erfüllte sich nicht. Geschätzte 40-50 kn und gefühlten Orkan. Es heulte erschreckend im Rigg. Es stand nur noch ein Fetzen der Genua. Eines war uns bei der Hafenansteuerung klar, sobald die Wassertiefen auch nur annähernd nicht denen der Seekarte entsprechen, geht es zurück und weiter zum nächsten Hafen. Denn bei dem Wind geht es bei Grundberührung wohl kaum wieder zurück. Den Diesel kurz vor dem Hafen gestartet und das letzte Stückchen der Genua weggerollt machte es plötzlich Krach. Die Genua rollte kpl. aus. Ich holte noch einige Meter Reffleine ein und hielt das Ende in der Hand. Reffleine gerissen! Die kpl. Genua flatterte im Sturm und wir trieben im Sturm vor dem angeblich versandetem Hafen. Krängung kurz vor dem gefühlten Kentern, beide Schoten der Genua kpl. losgeworfen und Vollgas rückwärts in den Wind gedreht (Rückwärts: 1. der Bug dreht eh bei starkem Wind weg und ist ohne Fahrt kaum zu halten / 2. Fahrt zum versandetem Hafen mit flatternder Genua war nicht möglich / 3. flattert die Genua uns erst mal nicht um die Ohren und kann sich nicht am Rigg zerreißen). Der Diesel hielt Tongji im Rückwärtsgang fast auf der Stelle und der Bug ging mit dem Wind. Erst einmal die losen Leinen sortiert, denn nicht das jetzt noch eine über Bord geht und in die Schraube gerät. Dann zur flatternden Genua. Die Rollanlage mühselig von Hand bewegt und so die Genua aufgerollt. Festgesetzt mit Behelfsleinen, denn die Reffleine war ja weggerissen.
Nun ging es zum und in den Hafen. Es war noch immer nicht weniger Wind. Wir machten einen großen Bogen um die Außenmole denn dort lag bereits Sand. Alles andere verlief bei reichlich Wassertiefe ohne Probleme. Die Hafeneinfahrt ist riesig und im Außenhafen ist ausreichend Platz um auch im Sturm zu manövrieren.
Nur im Hafen stand da mal wieder so eine italienische Anlegehilfe auf dem Steg. Genauer gesagt zwei und sie gestikulierten und winkten mit den Mooringleinen. Diese Einweiser oder auch Festmacher hatten wir in den vergangenen Häfen bereits bestens kennengelernt. Selten Ahnung vom Anlegen, meistens stören sie uns mehr und letztlich auch noch ein Trinkgeld haben wollen. (Ganz sicher sind nicht alle so!)
Gerade diese zwei machten uns das Anlegen bei gefühltem Orkan aber besonders schwer. Sie beharrten darauf das wir mit dem starken Wind rückwärts an der Luvseite des Steges anlegen sollten. Dies geht sonst auch wenn man schnell genug ist, aber eben nicht bei dem gefühltem Orkan. Da geht bei rückwärts mit dem Wind der Bug garantiert weg und letztlich drückt der Wind einen zügig platt an den Steg. Es half kein Reden, wir sollten genau dort ran. Dies obwohl auf der dem Wind abgewandten Seite des Steges alles frei war. Wir weigerten uns und sagten ihnen das wir dann den Hafen lieber verlassen. Sie gehen und wir fahren einfach um den Steg. (Verständigung eher durch Gesten - denn Rufe waren bei dem Geheule des Windes zwecklos)
Da kommen sie doch tatsächlich zurück gerannt und machen uns deutlich das dies nicht gehe! Warum und ob nicht frei? Keine Antwort. Wir fahren einfach rückwärts gegen den Wind an den Steg, da hält man uns die stramm gezogene Mooring mehrfach direkt unter die Schraube. Wir brechen ab, sagen ihm er solle endlich die Mooring wegpacken (geht dann unter). Wir fahren erneut rückwärts ran werfen die Heckleine, diese behält er einfach locker in der Hand statt sie durch den Ring am Steg zu stecken und zurück zu geben. Letztlich bekommt er sie bei seitlichen Böen nicht mehr gehalten und wir brechen erneut ab. Jetzt reicht es uns. Wir geben beiden zu verstehen das sie bitte nichts mehr machen mögen. Wir fahren mit dem Bug an den Steg, Marina springt mit Leine vom Bug auf den Steg, zieht diese durch den Ring, ich den Gang raus und eile zum Bug. Marina wirft die Leine zurück und ich belege auf der Bugklampe. Nicht das schönste aber erst mal am Steg fest und der Wind drückt uns vom Steg. Jetzt ist alle Zeit der Welt für die Mooring. Gegen seitliche Böen noch von den Heckklampen Leinen zum Steg und perfekt fest. Beim Gang zum bezahlen, wehte es mich dann doch noch fast vom Steg und ich musste in die Knie um mich zu halten. Unglaublich dieser Wind.
Später kommt ein italienischer Segler, dem weist man gleich die windabgewandte Seite am Steg neben uns zu. Hat man wohl gelernt. Da es inzwischen immer noch kräftigst vom Steg weht aber noch mehr seitliche Böen kommen und der Italiener bereits den 3. Versuch unternimmt mit den Anlegehilfen klar zu kommen (auch erst Mooring dann Heckleine bei starkem Wind vom Steg) und er Schwierigkeiten hat überhaupt rückwärts an den Steg bei seitlichen Böen zu kommen, machen wir ihm deutlich eine lange Heckleine über unser Schiff zu übergeben. Das klappt, wir gehen damit an den Steg und er zieht sich über die Winsch näher, auch an unserm Heck übergeben wir die ihm zugedachte Mooring. Später spendiert der Italiener eine Flasche sizilianischen Rotwein und schimpft über die Anlegehilfen.
Der Rotwein war zwar eine gute Idee, doch dies auch ohne den Wind zu berücksichtigen. Bei einer Windböe gab es im Hafen so viel Lage das der Wein kippte. Weißwein hätte weniger Flecken hinterlassen!
Die gesamte Nacht heulte es weiter. Am Folgetag, eine kurze Windpause, und wir befreiten Tongji vom Salz. Leider ohne Erfolg, denn bei erneut einsetzendem Wind flog das Salzwasser wieder durch den Hafen. (zwar ablandiger Wind - also kein Wasser welches über die Mole wie in Rhodos flog - doch wurde es von den kleinen gepeitschten Wellenkämmen geweht).
Am Folgetag kam ein italienisches 15 m Motorboot. Dies bleibt vor dem Hafen und ordert wohl per Funk reichlich Leute an den Steg. Zehn Leute erscheinen am Steg. Das Motorboot kommt in den Hafen. Es hat anscheinend keine Leinen? Mooringleinen werden parat gehalten. Das Bugstrahlruder läuft auf Hochtouren, hat aber gegen den Wind keine Chance. Es wird nach mehreren Fehlversuchen heftigst diskutiert und gestikuliert. Das ist schon reichlich amüsant wie die Italiener so diskutieren und wild am Steg gestikulieren. Scheinbar hat jeder einen anderen Vorschlag. Beim 4. Versuch fährt das Motorboot mit dem Bug gegen den Wind an einen anderen Kai und es wird eine Bugleine vom Kai zum Boot übergeben. Jetzt versuchen 10 Mann das Heck mittels einer weiteren langen Leine rumzuziehen. Auch wird die Leine nicht etwa über den vorhandenen Poller geführt. So gesehen hatte der Motorbootfahrer wohl recht 10 Mann bei dem Wind an den Steg zu ordern. Wer Hafenkino sehen möchte ist in Cetraro bei ablandigem Sturm und Böen genau richtig!
Am Nachmittag, noch immer heftigster Wind, machten die Anleger das selbe Spiel wie mit uns am Vortag mit einem Schweden. Mit seiner HR sollte er unbedingt auf der Luvseite des Steges festmachen. Ich zeigte ihm zwar das er lieber rumfahren möge, aber die beiden Festmacher standen bereits und der Schwede kam nach einigem zögern mit dem Wind an den Steg. Das Bugstrahlruder jaulte und jaulte, es kam jedoch wie es kommen musste. Der Bug ging mit dem Wind weg und er wurde vom Wind seitlich an den Steg gedrückt. Leider gabs auch ein paar Schrammen. Gar nicht schön, da half kein wegdrücken und zerren an den Mooringleinen, das Schiff wurde vom Wind an den Steg gepresst. Nun war guter Rat teuer. Die Anlegehilfen waren plötzlich verschwunden, dachten vielleicht das passt schon so, der Eigner blieb erstaunlich ruhig und war auch erst mal froh im Hafen zu sein. Er meinte er sei von 40 kn überrascht worden. Ich sagte ihm das auch unser Wetterbericht diesen Wind nicht auf der Rechnung hatte und wir gestern ähnliches Theater hier hatten. Bei einer kurzen Pause ohne Böen zog er sich mit Hilfe der Mooring auf der Winsch mit dem Heck vom Steg und dampfte dann rückwärts in die Mooring. Gleichzeitig lief das Bugstrahlruder und ich drückte was das Zeug hielt den Bug weg. Anschließend kam er um den Steg und legte dort mit Heckleinen an.
Nach dem vielen Wind zählten wir dutzende zerrissene Verdecke von Motorbooten und 3 zerrissene auswehende Segel.
Unsere, ohne Reffleine unzureichend gesicherte Genua hatten wir am ersten Abend noch runtergenommen und machten uns an die Demontage der Rollanlage. Aus der Trommel war die Reffleine samt Leinensperre ausgebrochen. Die Trommel besteht jedoch aus zwei gleichen Hälften. Die Reffleine konnten wir so in die zweite Trommelhälfte stecken und aus einem Stück Alu sägte und feilte ich eine neue passende Leinensperre, denn die alte lag irgendwo vor der Hafeneinfahrt. Wie das passieren konnte erkläre ich mir wie folgt. Zum Schutz vor UV-Strahlen ziehen wir im Hafen einen Schutzschlauch über das Vorsegel. Dafür wird die Schot vorher abgenommen und es kann schon vorkommen das diese nicht wieder bei der selben Umdrehung der Rollanlage im Schothorn angeschlagen wird. So verloren wir wahrscheinlich die ein oder andere Umdrehung der Reffleine auf der Leinentrommel. Letztlich wurde noch bei dem starken Wind das Segel sehr straff aufgerollt, was noch ein paar Umdrehungen mehr erfordert und dann war die Reffleine halt zu kurz. Der Zug wirkte nicht mehr seitlich sondern senkrecht zur Befestigung und riss diese aus der Trommel. Demnächst wird eine noch längere Reffleine montiert und besser bei der Demontage des Schutzschlauches auf die nötigen Umdrehungen auf der Trommel geachtet!
Oh je, schon wieder viel zu viel Text. Spare ich halt dafür mit Bildern ;-)
Bei dem vielen Salzwasser in der Luft wurden die Bilder eh nicht und im Ort Cetraro gab es für uns auch kein Fotomotiv.
weiter auf der Route - Segeln Scario